05.07.2014 - Landshuter Zeitung
Grüßen macht glücklich
Benimmcoach Thomas M. Köppl zeigt, was zeitgemäße Umgangsformen sind
Beim Spaziergang im Wald kreuzen sich die Wege zweier einsamer Wanderer. Die Blicke senken sich, man geht grußlos aneinander vorbei. „So was geht gar nicht“, sagt Thomas Martin Köppl. „Grüßen ist das Wichtigste.“ Der Benimmcoach ist Mitglied der deutschen Knigge-Gesellschaft und hat seine Leidenschaft, gute Umgangsformen zu pflegen, zum Beruf gemacht. Sich benehmen zu können, sei unabdingbar im Berufsalltag. Und es macht glücklich: „Schauen Sie sich doch gerade ältere Leute auf dem Land an, wie Sie ihr Gesicht zum Strahlen bringen, nur mit einem einfachen ‚Grüß Gott‘ “.
Sie touren als Benimmcoach durch Schulen in ganz Deutschland. Auch Vereine oder Firmen buchen Sie, um zu lernen, wie man sich im Umgang mit seinen Mitmenschen verhalten sollte. Wer kann sich nach Ihrer Erfahrung besser benehmen, Kinder oder Erwachsene? Thomas Köppl: Pauschal kann man das nicht sagen. Es macht sich auf jeden Fall bemerkbar, wenn jemand von Zuhause eine gewisse Erziehung mitbekommen hat. Also wenn die Eltern mehr Zeit hatten, auch dieses Segment den Kindern näherzubringen. Dann wissen die Kinder zum Beispiel, wie man das Besteck richtig hält. Bei anderen fällt auf, dass sie solche Regeln nie gehört haben. Aber wie sollten sie auch. Mit den Freunden holt man sich meistens Burger, Pommes oder Pizza, und dazu braucht man kein Besteck – auch wenn’s nicht schaden würde.
Wo haben Sie selbst Tischmanieren gelernt? Köppl: Die Anfänge auf alle Fälle daheim. Meine Mutter hat sehr viel Wert auf Tischsitten gelegt. „Iss daheim wie im Restaurant, dann kannst du im Restaurant essen wie daheim“, war ihr Spruch. Vernünftig am Tisch zu sitzen und mit Messer und Gabel umgehen zu können, gehörte für sie zu den Grundtugenden. Auch das Grüßen gehörte in unserer Familie von klein auf dazu. Es war bei uns Standard, Leute zu grüßen. Grüßen ist freundlich und tut nicht weh. Gerade auf dem Land merkt man, wie ältere Leute plötzlich übers ganze Gesicht strahlen, wenn man sie grüßt.
Stichwort „auf dem Land“. In der Stadt ist das Grüßen Unbekannter nicht üblich, wenn nicht sogar völlig daneben, oder? Köppl: Natürlich kann man in München auf dem Stachus nicht jeden grüßen. Aber zumindest, wenn man einen Raum betritt, oder wenn einem eine größere Gruppe begegnet, die vielleicht sogar Blickkontakt aufnimmt, sollte man grüßen. Ein „Guten Morgen“ oder „Grüß Gott“ tut nicht weh.
Wie üben Sie das mit den Schülern? Köppl: Meine Seminare in den Schulen sind so aufgebaut, dass nicht ich dauernd erzähle, sondern möglichst die Schüler reden lasse. Ich führe die Kinder und Jugendlichen in eine Richtung, aber ich gebe nicht laufend Anweisungen oder gute Ratschläge. Ich sehe mich mehr als Moderator. Beim Thema Grüßen beispielsweise fange ich damit an, die Kinder Grußformeln zusammentragen zu lassen. Dann wird überlegt, wer gegrüßt werden kann. In der Grundschule muss man bei dem Thema allerdings sensibel sein. In dem Alter ist es nicht angebracht, wenn die Kinder allein in der Stadt unterwegs sind, dass sie Fremde grüßen. Da gilt es aufzupassen, dass der einen nicht allzu lieb hat, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Denn wer weiß, ob es der gut mit einem meint. Auch das spreche ich bei den Kindern an.
Was gehört zu den typischen Vergehen gegen den guten Ton? Köppl: Das fängt beim Grüßen an und reicht bis zu hygienischen Dingen. Man sollte zum Beispiel nicht in die rechte Hand husten. Immerhin ist das die Hand, die man zur Begrüßung reicht. Ich bringe Kindern bei, auf den linken Handrücken zu husten. Denn den braucht man eigentlich nie.
Das habe ich nicht gewusst. Köppl: Da sind Sie bestimmt nicht die Einzige. Auch in Sachen „guter Ton“ gibt es immer wieder Neuerungen, Aktualisierungen. Ein ziemliches Hin und Her gab es zum Beispiel beim Thema Niesen im Büro. Früher sagte man Gesundheit. Dann sollte man plötzlich nichts mehr sagen, während sich der Nieser entschuldigen musste. Seit 2008 ist die Regelung endlich klar: Man wünscht Gesundheit nach dem Niesen, außer, man ist bei Veranstaltungen, bei denen es ruhig zu geht, zum Beispiel in der Kirche, beim Vortrag oder beim Konzert. Dann ignoriert man das Niesen. Der Nieser kann sich – aber nur ganz dezent – entschuldigen.
Woher wissen Sie solche Regeln? Köppl: Nicht aus dem Internet! Das kann ich zum Thema Benimmregeln nicht empfehlen, außer, man schaut wirklich ganz genau hin, wie alt der Beitrag ist. Was einmal im Internet steht, bleibt dort auch, daher ist vieles veraltet. Ich bin Mitglied der deutschen Knigge-Gesellschaft, und dort informiere ich mich auch. Es gibt einen Kniggerat. Das ist eine Gruppe von zwölf Personen, die alle drei Jahre ausgetauscht wird. Der Rat trifft sich mehrmals im Jahr und diskutiert, welche Verhaltensweisen angemessen sind oder was geändert werden muss. Auch neue Aspekte werden aufgenommen, etwa die Privatsphäre in sozialen Netzwerken.
Sitten und Benimmregeln sind von Land zu Land unterschiedlich. Gibt es Bestrebungen nach einer Vereinheitlichung, ähnlich wie das bei europaweiten Wirtschaftsregularien der Fall ist? Köppl: Die gibt es tatsächlich, aber nur, was den Bereich Bewerbung anbelangt. Ansonsten sind Benimmregeln von Land zu Land unterschiedlich, und das wird meiner Meinung nach auch so bleiben. Es gibt das Sprichwort: When in Rome, do as the Romans do. (Deutsch: Wenn du in Rom bist, benimm dich wie ein Römer. Sinngemäß: Man soll sich den örtlichen Gepflogenheiten anpassen, Anm. d. Red.). Jedes Land hat seine Eigenarten, und als Gast sollte man daher immer versuchen, das zu akzeptieren und mit dem eigenen Verhalten niemanden vor den Kopf zu stoßen.
In Deutschland darf man sich auch beim Essen (dezent) die Nase putzen, in Japan gilt das als daneben. Gehören auch internationale Benimmregeln zu Ihrem Programm? Köppl: Wenn das gewünscht wird, schon. Im Übrigen sind gerade die asiatischen Länder nicht so kompliziert, wie das oft kolportiert wird. Natürlich muss man sich bewusst sein, dass Symbole und Farben in vielen Ländern eine eigene Bedeutung haben. In China sind Weiß und Gelb Todesfarben. Auch bei der Begrüßung gibt es Unterschiede. In Deutschland reicht man sich die Hand, in Asien verneigt man sich, und zwar nicht irgendwie, sondern so weit, dass es dem Stand des Gegenübers würdig ist. Dass man beim Essen in Asien unbedingt rülpsen muss, um zu zeigen, dass es einem geschmeckt hat, stimmt nicht. Es macht nichts, wenn das passiert, aber man muss nicht rülpsen. In Schulen wird manchmal gewünscht, dass ich auf ein bestimmtes Land eingehe, wenn das zum Beispiel Ziel der Abschlussfahrt ist. Dann spreche ich einige grundsätzliche Dinge an, etwa für Italien: Wenn man auf der Spanischen Treppe in Rom ein Sandwich isst, macht man sich dort strafbar. In Frankreich darf man dem Kellner das Trinkgeld nicht direkt geben, sondern lässt es beim Verlassen des Restaurants zurück. Natürlich ist das weltweite Benimmfeld deutlich größer.
Wie sind Sie Benimmtrainer geworden? Köppl: Ich bin gelernter Restaurantfachmann. Mein persönlicher Schwerpunkt war die Weinberatung. Nach einem Autounfall habe ich mich neu orientiert. Letztlich habe ich das gemacht, was mir innerlich schon immer ein Bedürfnis war, denn freundliches und anständiges Auftreten öffnet einem so manche Tür. In meiner Zeit im Restaurant habe ich viel gesehen, was zum Teil völlig daneben war. Zum Beispiel Raucher, die ihre Zigarre auch dann genüsslich gepafft haben, wenn am Tisch schon gegessen wurde. Das ist ein absolutes No-Go. Außerdem hatte ich immer schon einen guten Draht zu Kindern.
Ihre Unterrichtscoachings sind auf die verschiedenen Klassenstufen zugeschnitten. Ab dem nächsten Schuljahr bieten Sie ab der 5. Klasse auch Module an, aus denen sich Schulen die Themen aussuchen können, die Sie interessieren. Wie haben Sie eigentlich Ihre Unterrichtskonzepte erarbeitet? Köppl: In der Grundschule geht es darum, möglichst spielerisch zu arbeiten, um die Kinder bei der Stange zu halten. Haben Sie deren Aufmerksamkeit einmal verloren, sind sie weg. Deshalb achte ich auf Abwechslung. Ich habe zum Beispiel ein Spiel eingebaut, den „Benimmrun“, bei dem man würfelt, um dann entweder auf einem Fragefeld, einem Aktionsfeld oder einem Bonusfeld zu landen. Beim Bonusfeld gibt’s ein kleines Bonbon, das durchbricht die Routine und sorgt für Begeisterung. Beim Fragefeld ist eine Frage zum bereits Besprochenen zu beantworten. Bei den Aktionsfeldern werden praktische Sachen gemacht, zum Beispiel einen Flieger basteln. Auch dabei lernen die Kinder
Benimmregeln: Schon beim Basteln zeigt sich, wer wem hilft. Beim Spielen dann, wer nimmt Rücksicht, wer nicht?
Auch Tischmanieren gehören zu Ihrem Coaching an Schulen. Wie vermitteln Sie den Umgang mit Messer und Gabel? Köppl: Ich habe für jedes Kind ein eigenes Besteck dabei, und dann kündige ich Schnitzel mit Erbsen an. Das führt meistens zum vielfachen Aufschrei „Ich mag aber keine Erbsen!“ Umso fröhlicher werden die Kinder, wenn sie entdecken, dass das Übungsschnitzel eine Schaumwaffel und die Übungserbsen Puffreis sind. Da macht es dann auch Spaß, Messer und Gabel korrekt zu halten.
Gibt es zum Schluss auch ein Zeugnis? Köppl: Ein Zeugnis mit Benotung nicht, aber ein Benimmzertifikat, das die Teilnahme bescheinigt. Außerdem gebe ich den Kindern zum Schluss noch die Weisheit an die Hand: Erwarte nichts von anderen, was du selbst nicht bereit bist zu geben.
Können Sie sich spontan an ein besonders schönes Erlebnis in ihrem Schulalltag erinnern? Köppl: An mehrere! Schön ist es, wenn mir die Kinder schon am zweiten Tag an der Schule ein „Guten Morgen, Herr Köppl!“ entgegenschmettern. Und richtig gerührt war ich einmal an einer Grundschule in Baden-Württemberg, als ich mit einer Klasse in den Essensraum gegangen bin. Meine Arme hingen einfach so runter – ist ja klar beim Gehen – und plötzlich hingen vier Kinder an meinen Händen, an jeder Seite zwei. Die hatten mich voll akzeptiert, Vertrauen zu mir gefasst; und das war ein tolles Gefühl.
Interview: Patrizia Burgmayer
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Thomas Martin Köppl (28) lebt in Rinchach im Landkreis Regen. Er ist Restaurantfachmann, staatlich zugelassener Ausbilder (AdA), Motivationstrainer, Bewerbungstrainer, Dozent und Ausbilder in der Gastronomie. Schulen, Firmen und Vereine aus ganz Deutschland buchen ihn als Coach. Internet: www.der-benimmcoach.de